Abenteuer abseits des Tourismus – Teil 2

Versteckte Wasserfälle und einsamer Seen in Roboré

Cascada de Totaizales

Nach einer abenteuerlichen Zugfahrt von Santa Cruz nach Roboré mit dem Expresso Oriental, Informationsdefiziten und Umsetzungsschwierigkeiten von Plänen, geht unser Abenteuer nach einer holprigen Motortaxi-Fahrt am Ortsrand von Roboré weiter.

Unsere beiden Fahrer hatten uns an einem Hinweisschild zum „Totaizales“ abgesetzt. Weiter ging es nur noch zu Fuß – oder Jeep. Die Infobroschüre hatte eigentlich sechs Kilometer Fahrt zum Startpunkt der Wanderung und dann eine Stunde Wanderung zum Wasserfall „Totaizales „veranschlagt. Dass wir mit dem Moped nicht mal annähernd 6 Kilometer zurückgelegt hatten, war uns zu diesem Zeitpunkt schon klar. Aber wie weit es nun tatsächlich bis zum Ziel sein würde, sollte bis zuletzt eine Überraschung bleiben.

Untouristisches Bolivien Teil 2 - Geheimtipp: Wasserfall und See in Roboré Roboré

Ganz ohne Tourismus – Wanderung allein im Nirgendwo

Wir starteten auf einem sandigen Pfad, vorbei an Feldern und ein paar kleineren Bäumen. Nach einer Weile wurde der Weg steiniger und führte uns zu einer kleinen Anhöhe mit einem schönen Blick. Nach etwa einer Stunde Wanderung wurde es grüner – hohe Gräser, die saftig grün im Sonnenlicht leuchteten und ein paar Palmen dazwischen. Wir erreichten einen kleinen Zaun mit einer Pforte. Irgendwie wirkt das ganze wie ein Privatgrundstück, denn auch zwei verlassene Häuser entdeckten wir. Ob wir wohl doch den falschen Weg genommen hatten? Hatten wir irgendwo eine Abzweigung verpasst? Immerhin sollten wir nach einer Stunde in etwa da sein – und nach Wasserfall sah das hier noch nicht aus. Aber nun waren wir schonmal hier, also setzten wir die Wanderung fort. 

Nach einigen Minuten durch die hüfthohen Gräser (zumindest bis zu meiner Hüfte…) wurde es schlagartig „dschungelig“. Hohe Bäume, dunkelgrüne Blätter und ein kleiner Trampelpfad, der hinab in eine Schlucht zu führen schien. Über rutschigen Matsch und steilen Stufen arbeiteten wir uns Stück für Stück hinab. Baumstämme wurden zu Geländern und manchmal zu Hindernissen, die quer über dem Pfad lagen. Unter manchen krabbelten wir durch, andere wurden überklettert. Nach insgesamt ca. 1,5 Stunden lichtete sich der Pfad und wir hörten das Plätschern von Wasser. Wir waren in der Schlucht angekommen.

Geheimtipp Bolivien: der Wasserfall „Cascada de Totaizales“

Neugierig traten wir heraus aus dem Dickicht. Vor uns lag ein kleiner Bach, der fröhlich vor sich hin plätscherte. Wir folgten seinem Ursprung, hopsten über nasse Steine und stand bald schon vor einem kleinen Wasserbecken. Über uns ragten zu beiden Seiten hohe Felswände hinauf, überwuchert mit Moos und den Pflanzen des Dschungels. Zwischen einer Felsspalte am anderen Ende des Sees rauschte ein kleiner Wasserfall in mehreren Etagen hinab und füllte das Becken mit glasklarem Wasser. Weit und breit keine Menschenseele – hinein ins kalte Nass! 

Kalt ist untertrieben. Vor vielen Jahren war ich im Januar in einem See in Kanada schwimmen. Ähnlich kalt war es hier. Die ersehnten Sonnenstrahlen gelangten kaum in die schmale Schlucht und so wickelten wir uns bald schon in unsere Handtücher. Ein paar Momente auf die großen Kiesel legen, dem Rauschen des Wasserfalls lauschen und die Papageien beobachten, wie sie kreischend über uns hinweg flogen. Wir hatten das Paradies gefunden – und hatten es ganz für uns.

Mit einem Mafioso zum See

Irgendwann am Nachmittag machten wir uns so langsam auf den Rückweg. Bei schräg stehender Sonne wurde es ganz schön frisch im Paradies und wir hatten außerdem noch eine Idee für den Abend. Ich sage extra „Idee“, denn „Pläne“ – das hatten wir ja bereits festgestellt – ließen sich hier abseits des Tourismus meistens sowieso nicht richtig umsetzen. 

Im goldenen Licht der Nachmittagssonne spazierten wir zurück Richtung Roboré und entdeckten in den fernen Baumwipfeln sogar noch Affen. Die knapp zwei Kilometer, die wir zuvor mit den Mopedtaxis zurückgelegt hatten, gingen wir nun zu Fuß und erreichten am späten Nachmittag den Hauptplatz von Roboré. 

Nun wollten wir noch zu einem See in der Umgebung von Roboré, der ebenfalls auf der Infobroschüre verzeichnet war. Angeblich sollte man bei etwa 5,5 Kilometern Entfernung mit dem Auto direkt dorthin fahren können. Wir suchten erneut die Taxifahrer auf und trafen ausgerechnet auf den einen Kollegen, der uns bereits vom Vormittag ganz besonders in Erinnerung geblieben war. Er sah ein bisschen aus wie der mexikanische Schauspieler Danny Trejo und trug seinen wohl geformten Kugelbauch bei aufgeknöpftem Hemd stolz zur Schau. Mit seinen halblangen, strähnigen Haaren und der Sonnenbrille wirkte er wie ein schmieriger Mafioso der B-Liga.

Aber was soll’s – er würde uns dorthin (und zurück) bringen. Wir stiegen in seinen klapprigen Kombi – nicht bevor wir uns noch mit Sundowner-Bier und Keksen  eingedeckt hatten – und bretterten mit ihm über die staubige Straße hinaus aus der Stadt. Wieder begegneten wir niemandem – außer ein paar auf der Straße herumlaufenden Kühen. 

Geheimtipp Bolivien: Sonnenuntergang an der Laguna Sucuará

Unser Fahrer hielt direkt am Ufer des Sees, wo wir außer zwei Anglern in einigen hundert Metern Entfernung keine Menschenseele erblickten. Wir wollten uns gemütlich irgendwo ans Ufer setzen und der Sonne beim Untergehen zuschauen – doch so richtig wurden wir unseren Kollegen nicht los. Also vereinbarten wir mit ihm, dass er uns in einer Stunde einfach wieder hier abholen würde, bezahlten die Hälfte des ausgehandelten Gesamtpreises von 50 Bolivianos (ca. 5,50 Euro) und sahen ihn kurz darauf in der Ferne verschwinden. 

Würde man so etwas in einem Krimi sehen, die Hauptcharaktere allein mitten im Nirgendwo, an einem einsamen See, ohne Sicherheit darüber ob und wie man wieder zurück gelangen würde – man würde wohl den Kopf schütteln und sagen „selbst schuld, das ist ja auch total dämlich“. Aber die meisten Abenteuer sind wohl eine Gratwanderung zwischen“Dämlich“ und „Grandioses Erlebnis“. Welches der beiden am Ende herauskommt, ist meistens vom Glück abhängig. 

Während wir bei einem Dosenbier den Sonnenuntergang genossen und die Angler bei ihrer Arbeit beobachteten, dämmerte uns so langsam, dass das echt in die Hose gehen könnte. Waren wir mittlerweile schon zu verwöhnt mit unserem Glück und dadurch unvorsichtig geworden? 

Die Antwort ist in diesem Fall schnell gegeben, denn unser Vertrauen wurde erneut nicht enttäuscht. Tatsächlich kam unser Fahrer sogar pünktlich auf die Minute zu unserem Treffpunkt. Und so wurde unser abendlicher Ausflug zum See ein schönes Erlebnis – ganz ohne Nachtwanderung zurück nach Roboré. 

Das dritte Huhn wird geteilt  

Zurück am Hauptplatz in Roboré, setzten wir uns an einen der kleinen Imbisse und aßen – bereits zum dritten mal innerhalb von 24 Stunden – Hühnchen mit Reis und Pommes. Die Portionen waren wieder einmal viel zu groß für eine Person und das, obwohl wir an dem Tag einige Kilometer gewandert waren und seit dem letzten Hühnchen am Morgen nur ein paar Kekse gegessen hatten. 

Irgendwann setzte sich plötzlich ein kleiner Junge auf den dritten Plastikstuhl an unserem Tisch. Nach einem verwirrenden Moment ohne Worte fragte er uns, ob er etwas von unserem Essen haben könnte. Eigentlich waren wir schon satt, also schoben wir ihm einen der Teller hin. Während der Kleine die Reis- und Hühnchenreste verputzte, unterhielten wir uns weiter und versuchten die Situation einzuschätzen. 

Wenig später kam ein etwas ältere Junge – vielleicht 9 Jahre alt – und fragte nach dem zweiten Teller. Wir nickten und er füllte sich die Reste in einen Plastikbeutel, den er aus seiner Hosentasche zauberte. Während er bereits davon ging und der jüngere immer noch an unserem Tisch saß und mit seinem Spielzeug spielte, kam ein etwa zehnjähriges Mädchen mit einem Baby auf dem Arm. Essen hatten wir keines mehr und so fragte das Mädchen nach Geld. 

Das war nun aber eine völlig andere Sache als unsere Essensreste, daie andernfalls wahrscheinlich im Müll gelandet wären. Denn indem man den Kindern Geld gibt, hilft man ihnen keineswegs – das Gegenteil ist eher der Fall. Wenn sie nämlich vermeintlich vom Betteln leben können, gehen sich nicht mehr zur Schule (ob freiwillig oder weil ihre Eltern sie zum Betteln schicken) und damit entsteht ein Teufelskreis, aus dem sie später kaum noch herauskommen. Dass es natürlich überhaupt nicht leicht fällt, in so einer Situation hart zu bleiben und Nein zu sagen, steht auf einem ganz anderen Papier. So eine Situation – eine Horde verwahrloster Kinder, die von Tisch zu Tisch gehen und die Hand aufhalten – löst ein Gefühl von Traurigkeit und vor allem Machtlosigkeit aus. Es erinnert einen daran, wie gut man es eigentlich gerade hat, welch luxuriöses Leben man führt und wie klein unsere alltäglichen Sorgen im Vergleich zum großen Ganzen eigentlich sind. 

Film zum Abenteuer Ostbolivien

Alle drei Teile zum Abenteuer abseits des Tourismus als Film: mit dem Orient-Express von Santa Cruz nach Roboré, Wanderung zum Wasserfall “Totaizales” und Sonnenuntergang am einsamen See, hinauf zum Aussichtspunkt in Santiago de Chiquitos und durch die Jesuitenmission San José de Chiquitos. 

Praktisches und Nützliches

  • Wanderung zum Wasserfall Totaizales

    Startpunkt auf der Karte

    Ziel auf der Karte

    Länge (insgesamt): ca. 12 Kilometer

    Höhenmeter (einfacher Weg): ca. 300 hoch, 175 runter

    Schuhe: festes Schuhwerk mit halbwegs anständiger Sohle.
    Mit meinen Chucks haben mir später ziemlich die Fußsohlen weh getan, weil der Boden teilweise sehr uneben und steinig ist. 

  • Zur Laguna Sucuará

    auf der Karte

    Entfernung: ca. 5,5 Kilometer (einfacher Weg) 

    Taxi: ca. 50 Bolivianos für Hin- und Rückfahrt