Abenteuer abseits des Tourismus Teil 3
Wandern zu Felsformationen und einer Jesuitenmission
Nachdem wir mit dem Orient-Express von Santa Cruz nach Roboré gereist waren und dort versteckte Wasserfälle und einen einsamen See gefunden hatten, ging die Reise weiter. Ein Tagesausflug aus Roboré führte uns zum Nachbarort Santiago de Chiquitos, wo wir eine Wanderung zu einer grandiosen Felsformation unternahmen.
Danach nahmen wir den Orient-Express zurück Richtung Santa Cruz – nicht ohne einen Stopp in San José de Chiquitos einzulegen, denn hier gibt es eine der Jesuitenmissionen von Bolivien.
Die Nachteile des Reisens abseits des Tourismus wurden langsam spürbar und unsere Glückssträhne sollte uns bald schon verlassen. Am Ende strandeten wir dann nämlich doch noch mitten im Nirgendwo…
Mit dem Sammeltaxi von Roboré nach Santiago de Chiquitos
Am Morgen des zweiten Tages in Roboré, fragten wir unsere Gastgeberin, wie wir am besten zum Nachbarort Santiago de Chiquitos gelangen würden. Sie zeigte auf einen jungen Mann, der gerade den Laden verließ und in einen weißen Van stieg. Der „Micro“ (eine Art Sammeltaxi in Bolivien) würde um 9:30 Uhr am Hauptplatz von Roboré losfahren. Noch mehr als genug Zeit für uns. Ein paar Kekse auf die Hand als Frühstück (nach 3 Mahlzeiten Hühnchen mit Reis und Pommes brauchten wir etwas Abwechslung) und wir spazierten zu Roborés Zentrum.
Am Hauptplatz versteckten wir uns vor unserem Mafioso-Taxifahrer vom Vortag, der schon sehnsüchtig darauf wartete uns wieder irgendwohin zu fahren. Die Fahrt mit dem Micro für 10 Bolivianos pro Person (ca. 2,25 Euro) wäre aber deutlich günstiger für uns, also blieben wir in unserem Versteck. Gegen 9:20 Uhr kam dann endlich der Van. Ein junges bolivianisches Paar mit kleinem Kind saß bereits darin. Wir kletterten auf die hintere Bank und los ging’s nach Santiago de Chiquitos.
Von wegen. Erstmal fuhren wir nochmal zurück Richtung Bahnhof und damit auch unserer Unterkunft, also genau dorthin, wo wir gerade hergekommen waren. Unser Fahrer machte unterwegs noch einige Stopps für Besorgungen. Mal holte er sich etwas zu trinken, das andere mal kam er mit einer großen Gasflasche wieder. Nach etwa 20 Minuten verließen wir endlich Roboré und fuhren über eine staubige Landstraße ins Nachbardorf Santiago de Chiquitos.
Kaum hatten wir das erste Haus des Dorfes erreicht, hielt unser Fahrer erneut kurz an. Aus dem Haus kam ein junger Kerl und unser Fahrer stieg aus, gab ihm die Gasflasche und nahm eine leere mit. Am Hauptplatz von Santiago, fragten wir unseren Fahrer, ob er uns noch zum Startpunkt unserer geplanten Wanderroute bringen könne. Könne er, allerdings müsse er erst noch etwas erledigen (noch mehr Besorgungen???) und würde in 10 Minuten zurückkommen.
Wir nutzten die Zeit und schauten uns Santiago de Chiquitos an. Neben der kleinen Kirche, dem hübschen Platz mit Geigenstatue (warum eine Geige?!) und einer bunten Graffiti-Wand gibt’s nicht wirklich viel zu sehen und so waren wir schnell durch mit unserer Besichtigung. Während wir auf den Stufen gegenüber der Kirche auf unseren Micro-Fahrer warteten und uns unterhielten, hielt plötzlich ein Auto vor uns an. Der Fahrer, ein etwa 60 jähriger Bolivianer, kurbelte das Fenster herunter und sprach uns auf deutsch an. Völlig perplex schauten wir auf und kamen mit ihm ins Gespräch. Er war der Pfarrer der Gemeinde und war vor vielen Jahren für einige Zeit in Deutschland gewesen. Wie klein die Welt doch manchmal ist.
Sehenswürdigkeiten Santiago de Chiquitos: Wanderung zur Felsformation
Nach 30 Minuten kam unser Micro-Fahrer und fuhr uns für weitere 10 Bolivianos pro Person zum Startpunkt unserer Wanderung. Nach 200 Metern hielt er erneut an und sammelte noch ein bolivianisches Paar ein.
Als wir unser Ziel erreichten fragten wir ihn, ob er uns am frühen Nachmittag zu einem weiteren Ort bringen könnte. Von dort aus wollten wir zum Wasserfall „Las Pozas“ wandern. Dieses Ziel schien allerdings genauso schlecht erreichbar zu sein wie die in Roboré und daher nur mit Vierrad-Antrieb machbar. Als wir ihn fragten, ob er jemanden mit einem Jeep kennen würde, der uns fahren könnte, versprach er jemanden zu schicken, der uns um 14 Uhr abholen würde. Wahnsinn – was für ein Glück wir doch hatten!
Wir bezahlten jeweils 10 Bolivianos Eintritt für den Wanderweg zum Aussichtspunkt und stiefelten los. Das andere Paar war in die entgegengesetzte Richtung zu einem Privatgrundstück gegangen und so waren wir wieder einmal ganz allein unterwegs.
Der Pfad führte uns entlang hoher Bäume und Felswände, unter halb umgestürzten Baumstämmen hindurch und über ausgetretene Stufen hinauf. Nach ca. 20 Minuten und damit etwa einem Drittel des Weges, erreichten wir den ersten Aussichtspunkt mit einem herrlichen Ausblick auf die umliegende Landschaft. Lediglich eine gelb gestrichelte Linie trennte uns noch von der steilen Felskante (jeder deutsche Sicherheits- und Ordnungsliebhaber hätte bei diesem Anblick Schnappatmung bekommen). Über einen tiefen Spalt im Fels führte eine in die Jahre gekommene Holzplanke – aber immerhin wies auch hier die gelbe Linie den Weg.
Auf der zweiten Hälfte des Wanderweges wurde der Pfad erst zum steilen Trampelpfad und war bald gar nicht mehr zu erkennen. Über Felsen und Geröll ging es querfeldein hinauf und irgendwann türmten sich die ersten Felsformationen wie eine Burgmauer vor uns auf.
Geheimtipp: Mirador „El Antesala del Cielo“
Wir hatten die Spitze des Berges erreicht. Wobei Spitze eigentlich falsch ist. Vielmehr erwartete uns ein riesiges Plateau und das ganz ohne eine weitere Menschenseele. Die Felsformationen stehen in Reih und Glied um das Plateau herum wie eine Armee Ritter, die ihre Burg beschützen. Hinter der Skyline der Felsen breitet sich die weite Landschaft Ostboliviens aus.
Die ganze Szenerie hatte ein bisschen was von Stonehenge und strahlte eine gewisse Magie aus. Vielleicht lag das aber auch ein bisschen daran, dass wir den Ort ganz für uns allein hatten und ihn nicht mit anderen Touristen teilen mussten.
Das Kind in mir muss auch mit fast 30 noch überall raufklettern und so wurde der Aussichtspunkt schnell zum Abenteuerspielplatz mit natürlichen Boulder-Wänden. Die Aasvögel witterten wohl bereits ihre Chance und kreisten über unseren Köpfen.
Das Ende unserer Glückssträhne – die Tücken des Reisens abseits des Tourismus
So schön es dort oben auch war, irgendwann mussten wir dennoch den Rückweg antreten, denn wir wollten auf keinen Fall unseren Jeep-Fahrer verpassen. Der Rückweg ging viel schneller als gedacht und bereits nach ca. 30 Minuten waren wir zurück am Startpunkt unserer Wanderung. Es war 13:30 Uhr und wir machten es uns auf einer Holzbank mit Keksen bequem (so langsam konnten wir auch Kekse nicht mehr sehen, hatten sie doch das obligatorische Hühnchen mit Reis und Pommes abgelöst und waren nunmehr unser Hauptnahrungsmittel geworden). So richtig entspannt war es auf der Bank allerdings nicht, denn um uns herum surrten die Mücken und hielten uns auf Trab. Fuchteln, im Kreis gehen – nichts wollte auf Dauer helfen.
13:55 Uhr. Gespannt schauten wir die Schotterstraße entlang (deutscher Maßstab für Pünktlichkeit)
14:00 Uhr. Jetzt müsste er langsam kommen (juristischer Maßstab für Pünktlichkeit)
14:10 Uhr. Jetzt vielleicht? (europäischer Maßstab für Pünktlichkeit)
14:20 Uhr. Diese blöden Mücken nerven.
14:30 Uhr. Jetzt aber wirklich! (südamerikanischer Maßstab für Pünktlichkeit)
14:40 Uhr. Ein Jeep kommt angefahren, wir springen auf. Zwei Männer sitzen darin und brausen – ohne Notiz von uns zu nehmen – an uns vorbei. Enttäuschung.
14:50 Uhr. Vielleicht hat unser Taxifahrer doch keinen Jeepfahrer auftreiben können. Blöd, dann müssen wir die andere Wanderung wohl haken. Immerhin kommt ja um 15 Uhr der Taxifahrer um das andere Paar abzuholen.
15:00 Uhr. Komisch, das andere Paar kommt gar nicht…
15:20 Uhr. Diese SCH*** MÜCKEN!
15:30 Uhr. *******!
15:40 Uhr. Wir laufen los. Zu Fuß zurück nach Santiago de Chiquitos.
Rückweg: von Santiago de Chiquitos über Roboré nach San José de Chiquitos
Anfangs noch enttäuscht, frustriert und genervt, stiefelten wir über die staubige Straße. Wir waren verwöhnt von unserem bisherigen Glück auf der Reise. Nach einigen Minuten wandelte sich der Ärger jedoch in Humor – ein bisschen absurd war die ganze Aktion ja schon. Und wir sahen es positiv: immerhin war die Landschaft einfach herrlich, wir waren nach wie vor die einzigen Menschen weit und breit und nur zwei Mal begegnete uns ein Auto.
Eines davon war übrigens unser Taxifahrer. Fünf Minuten bevor wir das Zentrum von Santiago de Chiquitos erreichten. Er blieb neben uns stehen und fragte uns verwundert, warum wir nicht unterwegs zum Wasserfall waren. Er hatte tatsächlich einen Jeepfahrer geschickt und war deshalb selbst nicht mehr zum Abholen gekommen. Es schien ihm ehrlich leid zu tun – und unser Vertrauen in die Hilfsbereitschaft der Bolivianer war wieder hergestellt.
Später, nachdem wir das Sammeltaxi zurück nach Roboré genommen hatten, kauften wir zwei Zugtickets für den Orient-Express zu ca. 2 Euro pro Person nach San José de Chiquitos am Abend und aßen ein weiteres mal Hühnchen mit Reis und Pommes. Mit über 2 Stunden Verspätung kam der Zug gegen 21 Uhr endlich aus Brasilien angezuckelt und lieferte uns um 1:00 Uhr in San José ab. Wir hatten nun doch wieder auf unser Glück vertraut und keine Unterkunft reserviert. Doch im Gegensatz zum beinah schon lebendigen Bahnhof in Roboré fanden wir nun nur dunkle Straßen vor. Besorgt, dass unsere Glückssträhne nun endlich vorbei war, stiefelten wir durch die ausgestorbenen Straßen. Kein Mensch, kein Hotel, kein geöffneter Laden.
Doch nach einigen Ecken, wir hätten es beinah übersehen, sahen wir am Ende einer Straße ein flackerndes Hotelschild. Wir klopften an die Tür des großen Kolonialgebäudes und hatten Glück: ein Mitarbeiter öffnete. Wir checkten ein, ignorierten den Porno, der auf dem Fernseher gegenüber der Rezeption lief und ließen uns ins Bett fallen.
San José de Chiquitos
Am nächsten Morgen organisierte ich mir – nun schon wie ein halber Profi – heißes Wasser für meinen obligatorischen Kaffee. Ausgestattet mit dampfendem Becher und Handtuch fand ich den halboffiziellen Zugang zum Dach des Gebäudes. Halb fertig gebaut, zierten Bauschutt und Wäscheleinen das Flachdach. Eine klapprige Leiter führte noch eine Etage höher zu einer ungenutzten Dachterrasse, die mit Fliesenboden und verspieltem Mäuerchen einen herrlichen Yoga-Spot bot. Die Aussicht auf das kleine Städtchen, den Hausberg und die umliegende Landschaft setzten dem noch das Krönchen auf und so floss ich in der prallen Sonne durch ein Vinyasa nach dem nächsten.
Die Jesuitenmission San José de Chiquitos
Nach einem faulen Vormittag starteten wir unsere Besichtigungstour wie gewohnt am Hauptplatz der Stadt. Auf der Suche nach einem Frühstück ließen wir uns letztendlich vor einer kleinen Pension nieder und aßen zwar diesmal kein Hühnchen sondern Fleischspieße – allerdings mit den üblichen Beilagen, bestehend aus Pommes und Reis. Dazu gab’s ein selbstgemachtes Getränk des Hauses: „Chicha“, eine Art Bier, das durch Fermentation verschiedener Pflanzen gewonnen wird. Der Haken an der ganzen Sache: die Fermentation geschieht durch menschlichen Speichel. Richtig gelesen – es handelt sich quasi um „Spucke-Bier“. Wenn man es in dem Moment nicht weiß, schmeckt das Gesöff allerdings ganz lecker, irgendwie erfrischend und zimtig.
Nach dem deftigen Frühstück tingelten wir zum Hauptplatz und der Jesuitenkirche „Iglesia Jesuita de San José de Chiquitos“. Wir hatten leider schon wieder Pech, denn die Kirche war geschlossen – Öffnungszeiten waren nirgendwo erkennbar. Wir fragten zwei Schüler, die gerade vorbei liefen und angeblich sollte die Kirche um 16 Uhr wieder geöffnet sein. Da wollten wir allerdings schon auf dem Rückweg nach Santa Cruz sein. Wir hakten den Besuch der Jesuitenkirche und genossen eine Weile den hübschen Platz. Ein Pavillon mit weißen Vorhängen und ein Baum, der aussah, als würden an seinen Ästen Wattebäusche wachsen, waren durchaus auch ein Foto wert.
Spaziergang durch San José de Chiquitos – auf der Suche nach Sehenswürdigkeiten
Wir bummelten noch eine Weile durch San José. Wir passierten ein paar hübsche Fassaden rings herum um den Platz und eine Art winzigen Militär-Stützpunkt, folgten einem Google Maps Symbol mit dem Titel „Parque Ecologico“ und fanden einen kleinen verlassenen Garten. Kurzum: es gab nicht wirklich etwas zu entdecken. Einzig die Maske „Los Abuelos“, die ein bisschen wie ein Mix aus Jigsaw und „V-wie Vendetta“ aussieht, begegnete uns alle paar Meter. Einen tieferen Sinn hat sie allerdings wohl nicht – es handelt sich schlicht um eine traditionelle Maske, die bei Volksfesten getragen wurde bzw. mancherorts auch noch heute für solche Anlässe aufgesetzt wird.
Wir strichen die Segel und verabschiedeten uns von unserem Abenteuer abseits des Tourismus. Mit dem Taxi fuhren wir zum Busbahnhof, kauften uns Tickets für einen Van, der uns für ca. 7,50 Euro innerhalb von etwa 4 Stunden nach Santa Cruz bringen würde. Zum mittlerweile dritten Mal in Santa Cruz, fühlten wir uns bei unserer Rückkehr beinah schon zu Hause und verschlangen nach 4 Tagen Hühnchen mit Reis und Pommes und Keksen eine riesige Pizza. Herrlich!
Film zum Abenteuer Ostbolivien
Alle drei Teile zum Abenteuer abseits des Tourismus als Film: mit dem Orient-Express von Santa Cruz nach Roboré, Wanderung zum Wasserfall „Totaizales“ und Sonnenuntergang am einsamen See, hinauf zum Aussichtspunkt in Santiago de Chiquitos und durch die Jesuitenmission San José de Chiquitos.
Hinterlasse ein Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!