Tupiza

Wilder Westen im Süden von Bolivien

Tupiza Canyon

Tupiza: gute 250 Kilometer südlich von Potosi liegt das kleine Westernstädtchen auf knapp 3000 Metern Höhe und mit weniger als 100 Kilometern Entfernung in Spuckweite zu Argentinien. Westernstädtchen, weil es landschaftlich aussieht wie in Utah und einem Film-Set  für einen Streifen mit Revolvern, Pferden und Raubüberfällen gleicht. Und tatsächlich endete hier das legendäre Outlaw-Leben von Butch Cassidy und Sundance Kid, nach denen mindestens ein Hostel ernannt wurde.

Uns führte allerdings nicht das Ganoven-Duo in den Süden von Bolivien, sondern unsere Tour zum Salar de Uyuni, dem größten Salzsee der Welt. Klassischerweise starten und enden diese Touren zwar in der gleichnamigen Stadt Uyuni, doch wir versuchten uns so weit wie möglich vom „Gringo-Trail“ fern zu halten – und landeten damit in Tupiza, einem alternativen Startpunkt für die Uyuni-Tour. 

Karte Tupiza

Von Potosi über Tupiza nach Uyuni: lohnt sich der Umweg?

In Potosi auf unserer schönen Dachterrasse überlegten wir lange, wohin die Reise weitergehen sollte. Klar war, dass als nächstes die legendäre Uyuni-Tour drankommen würde. Nur der Startpunkt blieb ein stetiges Abwägen. 

Uyuni liegt deutlich näher an Potosi als Tupiza – warum also der Umweg in den Süden? Außerdem war die Auswahl an Touranbietern in Uyuni viel größer – demnach mehr Flexibilität, auch spontant vor Ort noch buchbar und vor allem günstiger als Touren aus Tupiza. Doch über Uyuni hörten wir nur Schauergeschichten: die Stadt hässlich, die Touren unsicher, die Guides betrunken, die Autos schrottreif. Außerdem fuhr beinah jeder in Uyuni los – also wahrscheinlich ein riesiger Pulk von Autos, alle mit der gleichen Strecke, den gleichen Stopps, der gleichen Party-Crew. 

Tupiza dagegen lachte uns irgendwie an. Im Reiseführer las man nicht viel darüber, die Bilder bei Google-Maps versprachen ein paar tolle rote Felsformationen und wir hatten immerhin die Zeit für einen Abstecher. Kurzentschlossen buchten wir per Whatsapp eine Uyuni-Tour von Tupiza für den übernächsten Tag und hüpften wenig später bereits in den Bus in Richtung Boliviens Süden. 

Tupiza

Nach ca. 5,5 Stunden Fahrt und einigen wunderschönen Landschaftsbildern, erreichten wir Tupiza und unser Hostel „Los Salares“, das außerhalb der Stadt direkt an einer hohen Felswand steht. Gerade noch rechtzeitig schafften wir es auf die unfertige Dachterrasse und beobachteten, wie die untergehende Sonne den nahen Canyon in tiefrote Farbe tauchte. 

Viel zu bieten hat die Stadt wohl nicht. Muss sie aber auch gar nicht, denn wir wollten ja raus in die karge Landschaft, in den roten Canyon und den wilden Westen Boliviens. Highlight der Stadt bleiben also die Minions in der Fahrbahn-Mitte und eine große Weltkugel mitten in der Stadt.

Wanderung

Am nächsten Morgen gibt’s nach einer Yoga-Runde auf dem Dach bei Frost Kuchen zum Frühstück. Danach tingeln wir fix in die „Stadt“ auf der Suche nach ein paar Snacks und Wasser für unterwegs. Um kurz vor neun geht’s endlich los: wir wollen in den Canyon wandern. Aber wohin eigentlich genau? 

Weder scheint Tupiza großartig auf Touristen ausgerichtet zu sein, noch scheint ein reges Interesse an den roten Felsen direkt hinter der Stadt zu bestehen. So fanden wir weder im Internet noch im Hostel irgendwelche Infos zu der Wanderung. Aber wir entdeckten die großartige App „Wikiloc“, mit der man per GPS-Daten seine Wanderung aufzeichnen und mit der Welt teilen kann. Und tatsächlich fanden wir dort einen Trail durch den Tupiza-Canyon: 14,4 Kilometer Länge, 580 Höhenmeter hoch und selbige nach der Hälfte wieder runter. Schwierigkeitsgrad: Moderat. Gesamtzeit 5 Stunden. Wir hatten um 15 Uhr noch einen Ausritt gebucht, also blieben noch 6 Stunden übrig. Easy. 

Sicherheitshalber ließen wir uns von einem Tuktuk dann aber doch noch ein Stückchen aus der Stadt hinaus fahren. Nachdem ich ihn erstmal in die falsche Richtung gejagt hatte (manchmal hab ich’s nicht so mit dem Navigieren…) setzte er uns gegen 9 Uhr an einem von uns als sinnvoll erachteten Startpunkt mitten im Nirgendwo ab. Und dann ging’s endlich los.

Nach den ersten paar Minuten Fußmarsch über Kies wartete allerdings bereits die Hürde – im wahrsten Sinne des Wortes: vor uns türmte sich eine über 5 Meter hohe Mauer auf. In der Regenzeit mag sie als Staudamm dienen – für uns stand sie schlichtweg im Weg. Ein paar Felsvorsprünge machten das Erklimmen relativ einfach, doch nach wenigen Metern wartete bereits die nächste Mauer. Diesmal 4 Meter glatter Stein, senkrecht auf dem Weg. Da zahlten sich die Abende in der Boulder-Halle direkt aus. 

Verloren in den Anden

Weiter ging es über einen staubigen Pfad, vorbei an Kakteen und Felsen in beinah allen Farben des Malkastens. Der Boden änderte irgendwann seine Farbe und wurde schneeweiß. Die hellen Mineralien bildeten einen knallharten Kontrast zur roten Felswand und dem tiefblauen Himmel und reflektierten die intensive Sonne so stark, dass die gesamte Umgebung flimmerte. 

Ein Staudamm versperrte uns zwar nicht mehr den Weg, aber immer mal wieder galt es Manns-hohes Geröll zu überwinden oder kleine Felswände zu erklimmen. Das machte die auf den ersten Blick überschaubare Anzahl der Höhenmeter zwar nicht gerade unanstrengend, sorgte dafür aber für umso mehr Spaß für jeden, der gern klettert. Und dieses Kletterparadies hatten wir komplett für uns – nicht eine Menschenseele begegnete uns auf unserem Weg.

Apropos Weg. Der endete irgendwann einfach im Nirgendwo. Was bereits eine geraume Zeit nur noch ein schwer erkennbarer Trampelpfad gewesen war, war plötzlich weg. Um uns herum erhob sich zu allen Seiten steile Hänge, überwuchert mit Geröll und Gestrüpp. Nur einen Weg hinaus aus dem Kessel schien es nicht zu geben. Dass wir über eine der Bergkuppen hinüber mussten, war uns mittlerweile klar, denn die GPS-Nadel der Wanderapp zeigte ganz klar in eine Richtung. 

Also kraxelten wir einen der Hänge hinauf, in der Hoffnung entweder von oben einen Weg zu erkennen oder zumindest irgendwie auf die andere Seite des Berges zu kommen – wo hoffentlich der Trampelpfad auf uns warten würde.

Ich sage „kraxeln“, denn klettern kann man das nicht nennen. Dafür bräuchte man irgendwelche Fixpunkte, an denen man sich festhalten kann. Stattdessen rutschte der gesamte Hang, Geröll stolperte von unseren Füßen hinab in die Tiefe und wir arbeiteten uns auf allen Vieren Meter um Meter hinauf. Auf halber Höhe angelangt mussten wir uns eingestehen: 1. kein Weg weit und breit, 2. weiter hinauf war unmöglich und außerdem s**-gefährlich und 3. wurde die Zeit langsam eng für unseren Nachmittags-Termin. Wahrscheinlich ist es wegen solcher Situationen, dass uns ein Freund mal „Chaos-Couple“ getauft hat.

Schicksalsberg Tupiza: Nicht überall, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg

Wir begannen also den Rückzug den Hang hinab. Schräg am Hang hinab, denn in gerade Linie hinab war keine Option und wir wären allenfalls als Steinlavine unten angekommen. Jeder Fußtritt ein Eiertanz, ob der Untergrund hält und mit den Augen stets auf der Suche nach dem nächsten Grasbüschel, an dem man sich festhalten könnte (und ihn dabei hoffentlich nicht aus dem staubtrockenen Boden ziehen würde). 

Kleiner Tipp am Rande: ein mannshoher Kaktus ist KEINE gute Option um sich daran festzuklammern. Aber so hatte der liebste Reisebegleiter am Abend wenigstens ein paar Andenken dabei, die ich mit der Pinzette aus seinem Finger pulte.

Irgendwann – mehr zufällig, als dass wir ihn entdeckt hätten – befanden wir uns doch wieder auf einer Art Pfad. Über Felsen ging es durch ein winziges Bach-Bett den Hang hinauf und oben angelangt präsentierte sich uns ein atemberaubender Blick über den bunten Anden-Hügel.

Genießen konnten wir den Ausblick leider nicht sehr lange. Denn unser Weg-Problem hatte sich leider nicht geklärt. Von hier aus ging es nämlich erstens nur sehr steil hinab und zweitens mal wieder ohne auch nur einer Andeutung eines Pfades. Sollten wir uns da jetzt echt hinabwagen? Was, wenn wir irgendwo einfach nicht mehr weiterkommen würden? Zurück hinauf würde bei der Höhe der Felswand ohne Kletterausrüstung ziemlich schwer bis unmöglich werden. Was, wenn wir uns in der nächsten Schlucht endgültig verirren würden? Aber den gleichen Weg zurück laufen, den wir gekommen waren? Irgendwie auch blöd. Was soll’s, wird schon gut gehen. Und im Notfall hat man ja ein Handy.

Sämtlicher Handyempfang sowie GPS-Signal verabschiedeten sich übrigens etwa 3 Minuten nach dieser Abwägung. Aber da waren wir schon dabei uns durch enge Felsspalten zu zwängen und – ein Fuß links, einer rechts – diese Spalten hinab zu klettern. Zwischendurch ein gewagter Sprung auf die nächste Ebene, nur um beinah in einem kleinen Wasserbecken zu landen. 

Zurück nach Tupiza – auf ins nächste Abenteuer

Und dann, ganz plötzlich, war da wieder ein Weg. Ein breiter Pfad aus Kies, der sich durch den Canyon schlängelte. Ein paar Meter weiter sogar ein Graffiti, das den Weg (in die entgegengesetzte Richtung) wies. Wir konnten also zumindest nicht vollkommen falsch sein! Hallelujah – keine Nacht in den Anden!  Allerdings war die Zeit schon sehr weit fortgeschritten und unsere Reittour schrieben wir mittlerweile schon ab. Ein GPS-Signal war nach wie vor nicht vorhanden und wir hatten keinen Schimmer, wie weit es noch zurück zur Zivilisation sein würde. 

Aber die Landschaft, die Figuren und Formen im Fels, revanchierten sich für die Strapazen und nach jeder Biegung wartete ein anderes Postkartenmotiv auf uns. Irgendwann dann sogar die Teufelstür „Puerta del Diablo“, zwei große Felsen, die wie ein Portal allein im Sand stehen. 

Von dort aus war es quasi nur noch ein Spaziergang von etwa 2 Kilometern zurück in die Stadt. Die Rückkehr der Zivilisation ließ sich wie Wegmarkierungen an der stetig wachsenden Höhe der Müllberge bestimmen. Doch wie Usain Bolt kurz vor der 100-Meter-Marke hatten wir nur noch Augen für den mittlerweile zurückgekehrten blauen GPS-Punkt, der Tupiza und damit auch unserem Anbieter für den Reitausflug entgegenhüpfte. 

Chaos-Couple hin oder her, wir erreichten das Büro um Punkt 15 Uhr, als hätten wir es genauso geplant. Nicht geplant war allerdings, dass wir keine Verschnaufpause haben würden und unsere Sonnencreme irgendwo in den Anden verlieren würden. Immerhin letzteres Problem löste sich auf dem Weg zum Reitstall, wo uns eine Apotheke davor bewahrte, die Farbe des Canyons anzunehmen. 

Reiten in Tupiza: ein Western-Abenteuer

Wer schon meine La-Palma-Artikel gelesen hat, der weiß: Reiten gehört nicht gerade zu meinen besonderen Fähigkeiten. Das liegt nicht etwa an mangelnder Körperbeherrschung, sondern an einer großen Portion Respekt vor Pferden (man könnte es auch Sch***-Angst nennen). Ich war als Kind wahrlich kein Pferdemädchen und habe nur einmal im Streichelzoo auf einem alten Ackergaul an der Leine gesessen. Vor wenigen Monaten auf La Palma, wagte ich mich meinem liebsten Reisebegleiter zuliebe dennoch auf einen Pferderücken. Das Abenteuer begann damit, dass das Pferd mir beinah das Ohr abgebissen hätte und ich nur knapp mit dem Leben davon kam. Nach zwei Stunden verkrampftem Ausritt im Schritttempo hatten das Tier und ich zwar unser Schicksal akzeptiert aber eines war klar: nie wieder. 

Fünf Monate später in Bolivien. Sie will Wandern, er hat nicht sonderlich Lust, also wirft sie ihm als Gegenleistung einen Köder hin: Vormittags wandern, nachmittags Ausreiten durch den Canyon. Und so fand ich mich plötzlich wieder im Angesicht  mit einem großen Vierbeiner. Was soll ich sagen: es war GROSSARTIG! 

Vielleicht sind die bolivianischen Pferde einfach viel netter als die palmerischen, vielleicht war ich nach unserem Wander-Abenteuer auch einfach Tiefen-entspannt. Nach einer Weile Spazier-Ritt durch die wunderschöne Landschaft, die ich sogar genießen konnte, ging unser Guide plötzlich in den Galopp über. Für jemanden, der gerade das zweite Mal in seinem Leben auf einem Pferd sitzt, eine ziemlich große Sache. Adrenalin schießt durch den Körper, das Gesicht verzieht sich zu irgendwas zwischen euphorischem Grinsen und panischer Fratze. In meiner Vorstellung flog ich als cooles Cowgirl mit wehender Mähne durch die Prärie. In der Realität glich ich wahrscheinlich eher einem nasser Sack mit Helm als einer Western-Heldin. Aber was soll’s. Schaut ja keiner zu und der Gaul beschwert sich nicht. 

Auf den Hund gekommen

Nach 2,5 Stunden Ausritt durch den wunderschönen und menschenleeren Canyon traten wir den Rückweg an. Die Sonne war bereits am untergehen und die Felsformationen warfen lange Schatten. Das ganze wäre kein Western-Abenteuer gewesen, wenn es nicht doch nochmal brenzlig geworden wäre. 

Hinter einer Kurve lauerte es dann auch schon: ein Rudel wilder Hunde. Eine ziemlich gruselige Szene, im Schatten der Felsen, inzwischen von Müllbergen und einem toten Hund auf dem Weg. Ein Vieh glich dem anderen und so preschte die aggressive, 15-köpfige Bande auf uns zu. Nun wäre ein idealer Moment für einen erneuten Galopp, doch unser Guide spazierte mit seinem Pferd in einer Seelenruhe durch die Meute hindurch. Ich dachte noch „hoffentlich geht das Pferd nicht durch und wirft mich ab“, als ein Hund an der Seite hochsprang. Vor Schreck und aus Angst um meinen Fuß riss ich das Bein hoch (richtig kluge Idee, in so einer Situation den Steigbügel zu verlassen und einbeinig auf einem Pferderücken zu sitzen, der jeden Moment in die Senkrechte gehen kann). Aber das Pferd blieb – zum Glück – wesentlich cooler als ich, versetzte dem Hund einen gezielten Tritt mit dem Huf und der Angreifer zog sich winselnd und vermutlich mit zahlreichen Knochenbrüchen zurück. 

Wir hatten es geschafft und erreichten – zumindest ich mit einem Riesenschreck – wenig später den Stall und fuhren mit schlotternden Knien mit dem Bus zurück in die Stadt. Auf der Suche nach einem Geldautomaten bemerkten wir plötzlich einen Verfolger: ein filziger Straßenhund klebte uns an den Fersen. Vielleicht roch er den Pferdestall an uns. Er wartete vor der Bank und huschte sogar hinter uns ins Restaurant – zum Leid aller Gäste, denn offenbar roch er nicht gerade angenehm (und was sagte das wohl über uns aus?). 

Nach einer großen Portion „Pique a lo Macho“ im „The Alamo“, einem bolivianisch-mexikanischen Restaurant mit fünfziger Jahre-Ami-Deko, fielen wir in die Betten. Wenige Stunden später, in den frühen Morgenstunden, sollte es bereits schon losgehen auf unsere viertägige Tour zum Salar de Uyuni. Und ratet mal wer bereits an dem Büro des Tourveranstalters auf uns wartete: unser vierbeiniger Verfolger! Wir ließen ihn zurück im Wilden Westen und brachen auf zu bunten Lagunen, Lamas, Flamingos und dem größten Salzsee der Welt. Aber das ist eine andere Geschichte. 

Film zum Abenteuer Tupiza

Kein Film der Welt vermag dieses Tagesabenteuer in Tupizas Canyon auch nur annähernd wiederzugeben. Ein paar bewegte Bilder gibt es trotzdem!

Praktisches und Nützliches

  • Von Potosi nach Tupiza

    mit dem Bus vom Busbahnhof „Nuevo“ in Potosi; ca. 5,5 Std, 30-40 Bolivianos

  • Unterkunft

    Hostel Los Salares

  • Essen

    „The Alamo“

  • Wanderung durch den Canyon

    Route auf „Wikiloc“ ;
    ca. 5-6 Stunden, schwieriger Weg, gutes Schuhwerk notwendig

  • Reiten im Canyon

    Mit Tupiza Natural Adventure; 3 Stunden, ca. 22 USD (Sonderpreis für Buchung mit Uyuni-Tour)

  • Uyuni-Tour von Tupiza

    Tupiza Natural Adventure
    4 Tage; 215 USD inkl. Reiten in Tupiza