Leben in Dänemark

Ann-Kathrin erzählt ihre Auswander-Geschichte

Nyhavn

Hej!

Mein Name ist Ann-Kathrin und ich lebe seit fast drei Jahren im wunderschönen Kopenhagen. Ich bin 30 Jahre alt, komme aus Kriftel (das ist ein Ort bei Frankfurt am Main) und liebe Sport und gutes Essen (ja, das passt zusammen). Nachdem ich 5 Semester Zahnmedizin studiert habe, was überhaupt nichts für mich war (viel zu viel präzise Arbeit auf zu wenig Platz), beschloss ich Deutsch, Mathe und Sachunterricht auf Lehramt an der Goethe-Universität in Frankfurt zu studieren.

In einem tollen Ägyptenurlaub lernte ich einen sehr netten Animateur namens Frederik kennen (ich weiß, typisch Klischee). Und Frederik? Na klar, heißt man Frederik oder Christian, kommt man höchstwahrscheinlich aus Dänemark, weil alle Könige und Prinzen hier entweder Christian oder Frederik heißen (naja, fast alle). Wie ihr euch denken könnt, ist er der Hauptgrund für mein Auswandern nach Kopenhagen. Was macht man nicht alles für die Liebe?

Ich hätte mir niemals erträumen lassen, dass ich einmal in das kleine, kalte Land Dänemark auswandere. Ein warmes Spanien hätte ich mir vorstellen können, aber Dänemark? Ihr werdet später merken, dass es die beste Entscheidung war, die ich treffen konnte.

Ann-Kathrin aus Kopenhagen

Tschüss Deutschland – hej Dänemark

Nach meinem Referendariat in Hamburg (meiner absoluten deutsche Lieblingsstadt) kam dann der Entschluss mit Kopenhagen. Da Frederik noch in Kopenhagen studierte und ich (mehr oder weniger) bereit war im Lehrerberuf zu starten, fiel die Entscheidung zwischen Deutschland und Dänemark nicht schwer.

Aber wie sollte ich an einer dänischen Schule ohne jegliche Dänischkenntnisse unterrichten? Ein Arbeitsbuch, eine CD (unglaublich wichtig für die Aussprache) und jede Menge Übungsaufgaben, brachten mir die dänische Sprache ein bisschen näher. Aber ich hielt es für unmöglich, mit diesen begrenzten Kenntnissen an einer Schule zu arbeiten. Mein Freund ermutigte mich dennoch, mich an dänischen Schulen zu bewerben. Diese seien immer dankbar für deutsche Muttersprachler und ich solle versuchen mein Anfängerdänisch so gut es geht im Vorstellungsgespräch anzuwenden. Ansonsten kann man ja auch jederzeit ins Englische wechseln, denn das können hier alle. Und wenn ich schreibe alle, meine ich alle. Von jung bis alt. Dadurch, dass hier alle Filme im Originalton mit Untertitel gezeigt werden, lernt man hier Englisch „ganz nebenbei“. Es gibt auch nicht viel Sinn in einem Land mit ca. 6 Mio. Einwohnern (ich sagte ja, kleines Land) einen Brad Pitt dänisch sprechen zu lassen.

Na gut, ich nahm all meinen Mut zusammen und bewarb mich an dänischen Schulen. Solange ich mir vorstelle wie mit einer Kartoffel im Mund zu sprechen (so hört sich Dänisch nämlich an), wird das schon klappen. Und es klappte überraschend gut. Natürlich mussten wir sehr oft ins Englische wechseln, aber ich hatte trotzdem ein gutes Gefühl und war ein wenig stolz auf mich. Thomas (ja, man spricht sich hier mit Vornamen und „du“ an, das machen meine Schüler auch) hat mir den Job sofort  zugesagt. Für meine Schüler bin ich einfach Ann-Kathrin oder AK. Das baut unglaubliche Barrieren ab und sorgt für eine familiäre und nahe Unterrichtsatmosphäre. Hier in Dänemark wird tatsächlich nur das Königshaus gesiezt – aber auch die mit Vornamen angesprochen.

Schule in Dänemark

Ich hatte also meinen Job zum 01.02.2016 (Jippppiee!). Allerdings endete mein Referendariat erst am 29.01.2016. Aber nichts ist unmöglich und es gibt für alles eine Lösung. Man hatte ja immerhin ein Wochenende zum Umzug. Dank der Hilfe meiner Eltern und Freunde, lies sich der Umzug schnell über die Bühne bringen und zack, war ich in Dänemark. Ein neues, aufregendes, unbekanntes und erlebnisreiches Kapitel stand mir bevor.

Der Start in meinem Job war fantastisch. Ich habe wirklich die beste Schule gefunden, die ich mir vorstellen kann. So hilfsbereite Kollegen und tolle Schüler hätte ich nicht erwartet (eigentlich habe ich gar nichts erwartet). Das größte Kompliment habe ich von meinen Schülern bekommen: „Du sprichst dänisch wie Prinzessin Mary.“ Prinzessin Mary kommt aus Australien, lebt aber seit mehr als 15 Jahren in Dänemark. 

Bei meinem Schulstart bekam ich einen Laptop mit den Worten: „Hier, für deine Unterrichtsvorbereitungen.“ in die Hand gedrückt. Heute habe ich zusätzlich noch ein Ipad. Wir müssen ja unseren Schülern gleichgestellt sein, die von der 1.-6. Klasse mit Ipads und von der 7.-9. Klasse mit Laptops arbeiten (jeder Schüler hat sein eigenes Ipad bzw. Laptop, der von der Schule gestellt wird). Damit aber noch nicht genug: Ich habe auch meinen eigenen Arbeitsplatz in der Schule mit einem großen Bildschirm (man muss ja ordentlich arbeiten können – das ist hier selbstverständlich). Und auch ganz selbstverständlich hat jede Klasse ein Smartboard, das funktioniert (ich schreibe das hier, da das in Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist, denn Tafeln haben sich ja so bewährt…). Und alles läuft hier online – von Schulaufgaben, Unterricht, bis hin zum öffentlichen Sektor. Aber dazu später mehr.

Aber zurück zu meinen Anfängen an der dänischen Schule und den damit verbundenen Sprachbarrieren. Zu Beginn hatte ich schon einige Schwierigkeiten mich auszudrücken, doch wenn man in Dänemark einen Job hat, zahlt der dänische Staat einen Dänischkurs  um die Integration zu unterstützen. Also ging ich zweimal pro Woche abends für jeweils drei Stunden zum Kurs. Ja, es war hardcore und ich hatte am Ende auch keinen Bock mehr, aber nach einem Jahr konnte ich fließend Dänisch sprechen und (mit ein paar Fehlern) auch schreiben.

Dänemark investiert übrigens auch unglaublich viel in die Bildung: Als Student bekommt man hier 6090 Kronen brutto pro Monat. Das entspricht ca. 815 Euro. Und nein, davon muss man keine einzige Krone zurückzahlen und es ist auch unabhängig vom Einkommen der Eltern. Sogar als Student aus dem Ausland mit Wohnsitz in Dänemark kann man diese finanzielle Unterstützung bekommen. Wirklich Wahnsinn.

Hygge: einfach glücklich

Ich sagte ja schon, dass hier alles online läuft. Das macht vieles so einfach. Meine Lohnsteuererklärung zum Beispiel.  Die habe ich in Deutschland immer gaaaaanz weit weggeschoben, weil ich gar keine Lust hatte diese unendlich vielen Seiten auszufüllen, bei denen man manchmal gar nicht weiß, was man wo reinschreiben muss. Hier besteht diese aus einem Klick im Internet. Auch das Unterschreiben wichtiger Dokumente läuft hier online. Das funktioniert, da hier jeder eine Personennummer (CPR-Nummer) hat, über die alles erfasst wird (da haben wir ja in Deutschland zu viel Angst zum gläsernen Menschen zu werden). Die Daten sind allerdings gut geschützt und die ganze Bürokratie, die in Deutschland unheimlich viel Zeit in Anspruch nimmt, fällt weg. Hier sagt man: „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist günstiger“.

Überall (ja, ich meine überall) kann man mit Kreditkarte bezahlen. Von der kleinsten Bäckerei bis hin zur kleinen Weihnachtsmarktbude bezahlt man „med kort“ (mit Karte), wie der Däne sagt. Ich habe gar kein Portemonnaie und Bargeld mehr, da das hier wirklich überflüssig ist. Sogar auf Flohmärkten (die Dänen lieben Flohmärkte)  kann man bargeldlos mit Mobile Pay bezahlen. Hierfür benötigt man nur die Handynummer seines Gegenübers und zack ist das Geld auf dessen Konto. 

Dänemark ist nicht nur im schulischen und im öffentlichen Sektor, sondern auch im Hyggefaktor ganz weit vorn. Aber was ist eigentlich „hygge“? Ich, als Deutsche mit dreijähriger Dänemarkerfahrung würde hygge als Lebensgefühl beschreiben. Ein Lebensgefühl, das in Deutschland auch bei noch so guter Imitation (Dort ist es ja das neue „In“-Wort) schwer zu erreichen ist. Auf Deutsch übersetzt bedeutet hygge Gemütlichkeit. In Dänemark gibt es das Wort hygge sowohl als Substantiv als auch als Verb. „Vi hygger.“ Bedeutet so viel wie: „Wir gemütlichen“, oder wohl eher: „Wir haben es gemütlich.“ Und schon dort verliert das Wort im Deutschen ein wenig an Bedeutung. Hygge bedeutet: Glücklich sein, sich Pausen gönnen, Kerzenschein, Dankbarkeit, ein Bierchen oder Weinchen (bei den Dänen können es davon auch sehr gerne mehr sein, koste es, was es wolle), positives Denken (denn es gibt für alles eine Lösung) und und und…

Man kann es nicht wirklich beschreiben. Man muss es (er-)leben: Ich habe noch nie so viel an einer Schule gefeiert, wie hier (wir sprechen von Parties im Lehrerzimmern unter Lehrern!). Das verbessert die Arbeitsatmosphäre so ungemein und das haben die Dänen verstanden. An einigen Schulen ist die Teilnahme an den Weihnachtsfeiern sogar verpflichtend, denn den Dänen ist Gemeinschaft und Gerechtigkeitssinn sehr wichtig.

Derjenige, der hinten in der Schlange steht ist hier nicht der erste, wenn eine neue Kasse öffnet. Die anderen vor ihm haben ja immerhin schon länger gewartet. Auch das Wort Wertschätzung wird hier ganz groß geschrieben. Nach jedem Essen sagen die Dänen: „Tak for mad.“, was so viel bedeutet wie: „Danke für das Essen“. Als mein Freund das zu Hause bei meiner Mutter sagte, war sie glücklich, dass das Essen geschmeckt hat, wunderte sich allerdings, da das bei uns Deutschen ja eigentlich nicht normal ist sich beim Koch für das Essen zu bedanken. Nach jeder gemütlichen Zusammenkunft dankt man einander am nächsten Tag oder eben dann wenn man sich wiedersieht. „Tak for sidst“ (Danke für das letzte Mal) oder natürlich „Tak for en HYGGELIG aften.“ (Danke für einen gemütlichen Abend). Wenn man ganz genau hinhört, wird hier in Dänemark das Wort hygge und hyggelig sehr häufig verwendet. Es drückt ja auch eine Art Wertschätzung aus.

Dänische Traditionen

Wo sich Dänemark noch von Deutschland unterscheidet, ist in einer Menge Traditionen, die hier voll ausgelebt werden. Ich denke, dadurch, dass die Dänen so hyggelige sind, gibt es hier jede Menge Traditionen. Am letzten Schultag bekommen die Schüler ihren „Studentenhut“ und fahren danach in einem großen Wagen mit offener Ladefläche durch die Stadt. Mit lauter Musik und jeder Menge Alkohol feiern sie das Ende ihrer Schulzeit. Am letzten Schultag unserer Neuntklässler verkleiden sich diese inklusive deren Lehrer. Das bringt immer jede Menge Gelächter mich sich. Als Deutsche kam ich natürlich im Dirndl und ein anderes Mal als Heidi Klum oder Helene Fischer (das haben die Schüler zumindest so interpretiert). Am Ende des Tages werden die Lehrer dann schön mit Rasierschaum eingeseift. Eine Riesenschweinerei, aber was macht man nicht alles, damit die Schüler ihren Spaß haben?

Bei jedem festlichen Anlass, aber vor allem an Geburtstagen wird hier dänisch geflaggt. Zu Beginn dachte ich, die machen Scherze, aber nein, so ist es. Und mittlerweile habe ich diese Tradition hier total übernommen, da es eine Wertschätzung dem Land gegenüber ausdrückt. Jedoch hänge ich zu meinem Geburtstag in Deutschland keine deutschen Flaggen auf (das geht glaube ich zu weit).

Weihnachten in Dänemark

Vor allem rund um die Weihnachtszeit gibt es viele Traditionen. Natürlich gibt es auch wie in Deutschland Adventskränze und Adventskalender (der heißt hier allerdings Weihnachtskalender, da der Adventskalender aus vier Geschenken besteht, die man an den Adventssonntagen bekommt). „Nissevenner“ (Wichtelfreunde) gibt es hier sowohl in der Schule als auch unter den Kollegen. Man kommt im Dezember immer wieder mit kleinen Geschenken (diese können jedoch auch lustig oder albern sein) und Ende Dezember gibt sich der Wichtelfreund zu erkennen.

Ebenfalls hängt man eine Socke zu Hause auf und hofft im Dezember darauf, dass ab und zu etwas in der Socke steckt. Das passiert aber nur, wenn man der „Nisse“ (Wichtel) Reisbrei kocht. Am 23.12. feiert man hier den „kleinen Weihnachtsabend“, an dem man dann auch gemeinsam Reisbrei isst. Am Heiligen Abend isst man zum Nachtisch „Risalamande“ (Milchreis mit Sahne und Mandeln). In diesem Milchreis ist eine ganze Mandel versteckt. Derjenige, der die Mandel findet, bekommt ein Mandelgeschenk.

Die Dänen lieben es ebenfalls um ihren Weihnachtsbaum zu tanzen (das ist kein Witz, sie machen es wirklich und singen dazu Weihnachtslieder). Auf allen Festen wird im Schnitt würde ich sagen alle 15 Minuten „skål“ (Prost) gesagt. Das bedeutet natürlich, dass man sein Glas erheben und trinken muss (gerne auch mit Schnaps). Das war wirklich ein Erlebnis, das ich auf meiner ersten dänischen Feier hatte. Irgendwann habe ich dann selbst mein Glas erhoben und „skål“ gesagt. Es ist Wahnsinn, alle machen mit. Der Abend hat für mich, wie ihr euch denken könnt, nicht besonders gut geendet.Aber das gehört hier auch zum Lebensgefühl Hygge.

Dänemark ist eines der glücklichsten Länder. Das dürfte nach diesem Bericht glaube ich keinen mehr wundern. Die Winter sind recht dunkel und kalt, aber durch ein positives und glückliches Lebensgefühl, ist das halb so schlimm. Meiner Meinung nach hat das Glück auch etwas mit der Zukunft zu tun. Über so etwas wie private Altersversorgung, Riestern oder was es sonst noch in Deutschland gibt, braucht man sich hier keine Gedanken zu machen. Der Staat unterstützt nämlich nicht nur Studenten, sondern auch ältere Menschen. Ohne all diese „unnötigen Gedankenmacher“ hat man viel mehr Platz zum glücklich sein und zum Leben.

Ich könnte pausenlos weiterschreiben und Dänemark in höchsten Tönen loben. Ich habe hier selbst so viel gelernt und mich dadurch weiterentwickelt und bin einfach nur überaus glücklich, hierher ausgewandert zu sein. 

Ich hoffe, ihr habt nach diesem Artikel unglaublich Lust bekommen, das Hygge Lebensgefühl zu erleben und Kopenhagen kennenzulernen. Für euren Besuch verrate ich euch in Teil 2 noch die schönsten Ecken, hyggeligsten Cafés und meine persönlichen „Must-Sees“.